«Wie bringst du Firma, Familie und Haushalt unter einen Hut?»
Ich weiss nicht, wie oft mir diese brennende Frage schon gestellt wurde. Letzthin hat Chris Beyeler sie auf LinkedIn in die Runde geworfen – nach zwei Wochen mit einem kranken Kind.
Ich bin alleinlebende Mutter von drei Kindern (die Grosse ist diesen Sommer nach Zürich gezogen, sie studiert nun an der ETH, die beiden Jungs sind 18 und 13) und Chefin der Agentur Die Schwedin. mit sechs Festangestellten, von denen fünf selber Mutter sind. Ausserdem gehören zum Team sieben Freelancer:innen, die beinahe täglich mit uns zusammenarbeiten und die ebenfalls koordiniert werden wollen. Über die Jahre habe ich mir ein ziemlich stabiles System aufgebaut, von dem ich gerne berichten kann. “Ziemlich stabil” bedeutet, dass nicht immer alles rund läuft, dass ich manchmal heulend in der PMS-Welt stehe und nicht mehr aus noch ein weiss, dass meine Mitarbeiter:innen finden, sie wüssten nicht mehr so genau, wie ich aussehe, und dass meine Kinder sich immer wieder auch mit Darvida als Znüni begnügt haben – aber allermeistens haben wir alle zusammen eine Situation, die mich stolz und glücklich macht.
Gerade gestern sagte mir unsere Freelancerin Maura, deren mittleres Kind krank ist und öfter operiert werden muss, dass es für sie eine riesige Hilfe sei, wie sehr wir uns im Team gegenseitig unterstützen. Das funktioniert, weil alle wissen, dass man 1. um Hilfe bitten darf und dass 2. jede:r nur fragt, wenn es wirklich wichtig ist. Oder wie es Daniela in ihren Weihnachtswünschen ausgedrückt hat: “Es ist unglaublich schön, in einem Team zu arbeiten, in dem es nicht um Konkurrenz, sondern um ein Miteinander geht.” Der Schlüssel dafür ist eine offene Kommunikation und dass wir alle von den anderen Projekten ziemlich viel wissen. Grundsatz bei uns ist, dass auf jedem Projekt immer zwei Personen zusammen den Lead haben und über alles informiert sind. Das braucht zwar zuerst einmal mehr Ressourcen, bringt aber bessere Ergebnisse: erstens denken immer mindestens zwei mit, zweitens können Ferien und Vertretungen reibungslos abgefangen werden. Die Urlaubsplanung ist so organisiert, dass immer eine der Ansprechpersonen anwesend ist. Und drittens berichten wir im Gesamtteam immer wieder über jedes Projekt, sodass alle ein Grundwissen haben, auf das zurückgegriffen werden kann.
Noch ein Zitat: Unsere Buchhalterin Delia (seit 6 Monaten bei uns) meinte kürzlich: “Die Schwed:innen sind für mich wirklich der Inbegriff des Teams. Ich habe noch nie erlebt, dass ein Team miteinander so herzlich, freundlich und unterstützend umgeht. Ihr seid wirklich füreinander da und ich bin sehr stolz, nun auch eine Schwedin zu sein!”
Ist das Zufall? Nein, natürlich nicht. Das ist die Folge handverlesener Mitarbeiter:innen. Beim Einstellen ist es mir wichtiger, dass das neue Team-Mitglied zu uns passt und ebenfalls viel Herzlichkeit, Freude an Leistung, Drive und Spass am Leben mitbringt. Wie man den Ads-Manager von Tiktok bedient, kann man lernen. Wie man empathisch und authentisch kommuniziert und offen auf andere zugeht, bringt man besser schon mit.
Drittes und viertes Zitat: Fathima, damals unsere Auftraggeberin bei der UBS, schrieb uns einmal: “Ihr seid mein eigentliches Team!” und unsere Auftraggeberin bei der Migros meinte: “Ein Grund, warum wir so gerne mit euch zusammenarbeiten, ist, dass ihr so nett seid! Mit euch findet man immer eine gemeinsame, konstruktive Lösung!” Unser Ansatz: Die Kund:innen ins Team integrieren und in einer intensiven und nahen Zusammenarbeit gemeinsam an Lösungen arbeiten. Das wollen nicht alle Kund:innen – manche wollen auch einfach jemandem die Verantwortung (und im Zweifelsfall die Schuld) abgeben. Andere schätzen die Teamarbeit überaus und unserer Ansicht nach führt dieser Ansatz zu deutlich besseren Ergebnissen.
Ein weiterer Faktor, (kranke) Kinder und anspruchsvolle Arbeit unter einen Hut bringen zu können, ist die Möglichkeit, remote und flexibel zu arbeiten. Bei Die Schwedin. entscheiden alle, wann sie arbeiten und wo sie arbeiten. Darüber habe ich schon mal im Blog “New Work: Wie wir das bei Die Schwedin mit dem Homeoffice machen” geschrieben. Homeoffice ist für Eltern ein massiver Mehrwert – ausserdem braucht es im Idealfall noch eine Out-of-Home-Option, damit man auch einfach mal aus den eigenen vier Wänden rauskommt. Für uns ist die Kombi aus Co-Working und Homeoffice super. Ganz viele Probleme entschärfen sich dadurch. Man kann auch mal während des Arbeitstages ein Sauerteigbrot backen, ein dringendes Päckchen in Empfang nehmen oder zur Coiffeuse gehen und dafür vielleicht am Abend, wenn die Kinder im Bett sind, noch zwei Stunden arbeiten.
Soweit mal, was das Business angeht. Bleibt noch der private Teil.
Ein Faktor, der mir sehr viel Lebensqualität und Ausgleich ermöglicht: Die Kinder sind pro Monat rund 9 Tage – meist in Form von zwei langen Wochenenden – bei ihrem Vater und er geht in den Schulferien gerne mit ihnen Wellenreiten. Dadurch habe ich regelmässig Zeit für mich, für Ausgang, Kultur, Ausflüge und Reisen, wofür ich sehr dankbar bin. So kann ich in stressigen Zeiten auftanken. Die Kinderbetreuung organisieren wir über Google-Kalender und einen ausführlichen Jahresplan, was sehr gut funktioniert.
Dass mein Partner in Zürich lebt und ich in Biel, bringt automatisch Tapetenwechsel mit sich und ich bin dann auch gerne mal drei Tage bei ihm, wenn die Kinder nicht zuhause sind. Nach der Trennung habe ich mich häufig gefragt, warum wir das nicht schon viel früher eingeführt haben. Ich empfehle allen Eltern, dass jede:r regelmässig ein Wochenende “frei” hat. So lange schlafen, wie man Lust hat, ist für viele ja schon purer Luxus. Dann in Ruhe brunchen und danach ein Buch lesen – traumhaft! Oder in einer Ausstellung so lange verweilen, wie man mag… Ein Wochenende ausserhalb muss nicht teuer sein. Das lässt sich auch mit einem Besuch bei den eigenen Geschwistern oder den Eltern zuhause verbinden, indem man die Wohnung verreister Freunde hütet oder ein günstiges AirBnB irgendwo auf dem Land bucht.
Mein Ex-Mann ist geschäftlich viel unterwegs und spontan einspringen kann er eher selten. Die Grosseltern waren beidseitig zu weit weg, um die Kinder regelmässig zu betreuen. Schon früh habe ich mich daher entschieden, in eine Haushaltshilfe zu investieren, die (als die Kinder klein waren) dreimal die Woche je vier Stunden kam. Sie hat nicht nur geputzt und sich um die Wäsche gekümmert, sondern auch mal gekocht und auf die Kinder aufgepasst. Das war für mich Gold wert! So hatte ich dreimal wöchentlich die Flexibilität, externe Termine zu planen. Das Putzen und Waschen abzugeben war für mich eine riesige Entlastung. Dadurch hatte ich viel mehr Zeit, die ich entspannt mit den Kindern verbringen konnte. Der Mehrwert für die ganze Familie war unheimlich gross. Ich glaube, schlussendlich war das der entscheidende Grund, dass ich die Kinderjahre unbeschadet überstanden habe, gleichzeitig noch die Firma weiterentwickeln und an diversen Hochschulen dozieren konnte.
(Dazu noch eine kleine Anekdote: Als ich auf die Frage: “Wie machst du das nur alles?” einmal erklärte, dass mir die Haushaltshilfe viel Freiraum verschafft, schaute mich eine Frau ausgesprochen missbilligend an. “Ahhhhh, du hast einen Haushaltshilfe …” Was hatte sie sich vorgestellt? Dass ich einen Zauberstab in der Büroschublade hätte und dann jeweils Mary-Poppins-like die Wäsche in den Schrank wedeln würde? Ich glaube, es gibt effektiv nur zwei Möglichkeiten: entweder man holt sich Hilfe oder man senkt die Ansprüche. Am besten beides.)
Ah, und dann hatten wir noch drei Au-Pair-Mädchen, natürlich nacheinander. Das fällt kostentechnisch nicht sehr ins Gewicht (de facto habe ich ihnen jeweils mehr bezahlt, weil die Ansätze so unverschämt tief sind!). Auch mit dem Au-Pair-Modell habe ich sehr gute Erfahrungen gemacht – der grösste Vorteil daran ist, dass man kurzfristig planen und auch einfach mal abends ins Kino kann. Ein Au-Pair geht mit den Kindern in den Zoo oder Schuhe kaufen und betreut sie, wenn sie Fieber haben. So war ich nicht auf eine Kita angewiesen, die erstens teurer und zweitens null flexibel gewesen wäre. Wer mit grossen Kunden zusammenarbeitet weiss: Sie legen Meetings einfach fest und kaum jemand fragt danach, wann deine Kinder betreut sind oder ob eines gerade krank im Bett liegt.
Freunde von uns hatten keinen Platz, um ihr Au-Pair unterzubringen – sie haben ein Zimmer bei den Nachbarn gemietet und hatten so auch etwas mehr Privatsphäre (wobei ich sagen muss, dass meine Girls ausserhalb ihrer Arbeitszeiten meist mit Freund:innen unterwegs und nur selten zuhause waren.) Zwei andere befreundete Familien haben sich das Au-Pair geteilt. Das ist definitiv auch eine interessante Variante.
Als die Kinder dann nicht mehr so klein waren, haben wir im Gästezimmer einen Studenten gratis wohnen lassen, der dafür immer wieder etwas mit den Kindern unternommen und auf sie aufgepasst hat. Auch eine grossartige Lösung! Die Kinder fanden das übrigens fast immer toll – das Au-Pair oder der Student lassen sich leichter zum Fussballspielen überreden als Mama. Ich bin sicher, dass die heutige Selbstständigkeit und Offenheit meiner Kinder viel damit zu tun hat, wie abwechslungsreich sie aufgewachsen sind.
Und nun noch ein Appell an alle Eltern: Arbeitet besser zusammen! Während des Lockdowns habe ich mit zwei anderen Familien eine Lerngruppe für unsere Viertklässler organisiert. Wir waren fünf Elternteile, jede:r hat die drei Jungs einen Tag pro Woche von 9 bis 12 Uhr unterrichtet, sie über Mittag verpflegt und am Nachmittag konnten sie dort zusammen spielen. Die anderen Eltern konnten in dieser Zeit arbeiten oder mal etwas für sich machen. Der Unterricht in der Gruppe war viel lustiger und die Jungs waren nicht isoliert. Heute isst mein Jüngster ein- bis zweimal pro Woche bei seinem besten Freund zu Mittag und der Freund umgekehrt bei uns. Davon profitieren alle! Ich stosse aber immer wieder auf Eltern, die sich zwar beschweren, wie hart alles sei, aber nie fragen: “Du, kann mein Kind diesen Samstag bei euch übernachten, damit wir einen Abend zu zweit haben?” Egal, wie häufig ich das anbiete. Ein bisschen mehr Geben und Nehmen tut uns doch allen gut. Traut euch!
Dann möchte ich Eltern (oder allgemein Menschen) noch etwas ganz anderes ans Herz legen: Low Netflix! Natürlich schaue ich auch hin und wieder einen Film oder eine Serie – aber ich merke, dass mich Abende vor der Glotze unzufrieden machen. Man hat dann Stunden verbraten, ist trotzdem müde und hat nichts Produktives erledigt. Für meinen Energiehaushalt ist es wesentlich besser, wenn ich abends einen Podcast höre und dabei am Outfit für die nächste Kostümparty bastle, die Wohnung passend zur Jahreszeit dekoriere oder eine Freundin auf einen Gin Tonic einlade.
Was ich weniger gut schaffe, aber es wäre mindestens so hilfreich: Der Spaziergang nach dem Mittagessen. Wenn ich mich dazu motivieren kann, komme ich frisch und kreativ zurück an den Schreibtisch. Daher ist das auch mein Vorsatz für 2023: Raus nach dem Mittagessen, und wenn es nur 10 Minuten sind! Wenn’s klappt, freue ich mich wie wahnsinnig.
Fazit: Freiräume muss man sich schaffen. Selbstständigkeit hilft dabei enorm. Die familienfreundliche Kultur in einem Unternehmen sollte bei der Jobwahl unbedingt ein wichtiges Kriterium sein. Hilfe annehmen und organisieren lohnt sich für alle. Und Kommunikation ist der Schlüssel.
Jetzt nochmals zurück zur Freelancerin Maura vom Anfang des Textes: Die Krankheit ihres Kindes ist eine Belastung für die ganze Familie. Und trotzdem habe ich selten eine so positive, engagierte und aktive Bande gesehen. Sie sind der beste Beweis dafür, dass Zufriedenheit eine Entscheidung ist. Jeden Tag aufs Neue.
Dieser Beitrag erschien am 20. Januar 2023 zuerst auf dem Linkedin-Profil von Barbara Schwede. Dort gibt es immer wieder spannende News von unserer Chefin.
